Gefühle

Fühlt sich gut an,
Fühlt sich nicht gut an

Schöne Gefühle kehren wir gern nach außen. Die unangenehmen wollen wir am liebsten verbergen. Gefühle entstehen im Abgleich mit unseren Bedürfnissen. Sind unsere Bedürfnisse erfüllt, stellt sich ein angenehmes Gefühl ein. Bleiben sie unerfüllt, fühlen wir Scham, Trauer oder Wut.

von: Henri Marzillier
mit Fotos von: n. N.

Hurra, wir fühlen noch!

Gefühle machen das Leben bunt und abwechslungsreich. Wir haben die schönen, großen Glücksgefühle, wenn wir uns geliebt und geachtet fühlen, wenn wir Teil eines Ganzen sind, wenn wir anderen ein Lächeln aufs Antlitz haben zaubern können. Es gibt auch die schmerzhaften, traurigen, enttäuschten Gefühle. Stellen wir uns kurz vor, wie es wäre, wenn es gar keine Gefühle geben würde. Wir müssten durch leblose Wüstenlandschaften wandern. Unser Dasein hätte seinen Reiz verloren.

Gefühle haben wir in jedem Augenblick unseres Lebens

…egal ob wir darüber nachdenken oder nicht. Wollen wir andere an unseren Gefühlen teilhaben lassen, müssen wir sie identifizieren und beschreiben können. Das klingt erst einmal plausibel und ganz simpel, erweist sich in der Praxis jedoch oft als schwierig. Einerseits halten wir unsere negativen Gefühle lieber unter Verschluss - sei es, um einem Konflikt aus dem Weg zu gehen oder um anderen keine Angriffsfläche zu bieten. Viele Prozesse laufen ohne unser aktives Zutun im Hintergrund ab. Die meisten unserer inneren Regungen sind uns gar nicht bewusst. Reize von außen – der vertrauensvolle Blick eines Kindes, das vorwurfsvolle Gesicht des Vorgesetzen, die auffordernde Geste des liebevollen Beziehungspartners, das dankbare Lächeln der älteren Dame, der drohende Blick eines Passanten - all diese Signale landen über unsere Sinnesorgane in dem bereits erwähnten, entwicklungsgeschichtlich älteren Hirnareal, dem limbische System (Thalamus, Amygdala).
Hier entscheiden wir blitzschnell, ob der Reiz nützlich oder schädlich für uns ist.
Je nachdem, wie die Entscheidung ausfällt, veranlasst unser Gehirn die passenden körperlichen Reaktionen. Unsere Gesichtszüge verändern sich, unser Blutdruck steigt oder sinkt, wir lächeln, schwitzen, zittern, erröten, atmen heftiger… und so weiter – das alles passiert „instinktiv”. Wir sind emotional entweder entspannt oder angespannt, ohne dass wir uns dessen sofort bewusst werden. Unser Unterbewusstsein verarbeitet mehrere Millionen Informationseinheiten (Bits) pro Sekunde.

Wie aus meinen Emotionen Gefühle werden

Parallel zu den Vorgängen im limbischen System verarbeitet unser Gehirn das eintreffende Signal in seinem moderneren Teil (Hirnrinde, Sehrinde und Hippocampus) viel gründlicher aber auch langsamer. Hier werden „lediglich” 50 Bits pro Sekunde verarbeitet. Wir nehmen die Signale bewusster wahr. Unser Unterbewusstsein überprüft, ob der Reiz unseren Bedürfnissen dienen oder schaden könnte, indem es das aktuelle Ereignis mit früheren Erlebnissen vergleicht und aus den vorherigen Erfahrungen Schlüsse für unser aktuelles Verhalten zieht. In diesem Moment wandeln wir unbewusste emotionale Reaktionen des limbischen Systems in bewusste Gefühle um. Gefühle sind demnach Emotionen, die in die Hirnrinde gelangen und verarbeitet werden. Gefühle gehören zu den spontanen Lebensregungen wie Atmen, Gehen, Weinen usw. Im Normalfall atmen und gehen wir so unwillkürlich, wie wir fühlen. Durch unsere bewusste Aufmerksamkeit können wir bis zu einem gewissem Maß steuern, wie sehr Gefühle unser Verhalten beeinflussen. (vgl. Osterath, Hamm)

Welche Gefühle habe ich?

Wenn wir uns über unsere Gefühle austauschen wollen, benötigen wir die richtigen Worte, um sie zu beschreiben. Der Psychologe Paul Ekman hat Ende der 1970-iger Jahre menschliche Gefühlsäußerungen anhand der Mimik in unterschiedlichen Kulturkreisen erforscht und herausgefunden, dass sich Emotionen wie Überraschung, Ekel, Freude, Ärger, Trauer, Angst und Verachtung in kulturübergreifen charakteristischen Gesichtsausdrücken äußern. Ekmans Kollege, Robert Plutchik, ging zehn Jahre später in seinem Forschungsansatz davon aus, dass Emotionen eine genetische Grundlage haben und unser Verhalten steuern. Er fasst acht Basisemotionen in seinem Modell zusammen. Für Plutchik sind unsere Verhaltensweisen an bestimmte biologische Funktionen gekoppelt. In seinem Modell hat er die acht Emotionen je nach Intensität abgestuft. (vgl. wikipedia)

Sind die Emotionen nicht besonders stark ausgeprägt, sind sie auch nicht mehr gut von einander unterscheidbar.

Die Erkenntnisse der Forscher und die zugehörigen Gefühlsbeschreibungen sind für die Kommunikation hilfreich, denn viele Menschen haben Probleme, eigene und fremde Gefühle zu erkennen und offen aus- oder anzusprechen.

Oft sind wir uns einfach nicht im Klaren darüber, was wir fühlen. Damit verschenken wir die Chance, Vertrauen in unserem Gegenüber aufzubauen und eine „echte” Beziehung mit ihm einzugehen.
Wenn wir es vermeiden, uns über Gefühle auszutauschen, leidet die Qualität vieler unserer Gespräche. Anstatt wir uns offenbaren und unsere Gefühle klar ansprechen, verbergen wir sie hinter vagen Andeutungen. Damit können die wenigsten Gesprächspartner etwas anfangen.

Mein Körper verarbeitet meine Emotionen und Gefühle

Bin ich bereit, von meinen Gefühlen zu sprechen, habe ich mir vorher bewusst gemacht, welche Emotionen und Gefühle in mir wirken. Wir haben gesehen, dass sich Emotionen in körperlichen Reaktionen zeigen. Achte ich auf meine Körperreaktionen, kann ich mir meinen emotionalen Zustand bewusst machen.

Bin ich meinen Emotionen und Gefühlen wehrlos ausgeliefert? Ich glaube nein, denn sie basieren auf Glaubenssätzen, die ich mir, wie wir eingangs schon gesehen haben, im Laufe meines Lebens zugelegt habe. Je nachdem, welche Glaubenssätze sich angesammelt haben, nehme ich Informationen oder Verhalten durch meine individuelle Brille wahr. Denke ich, die Welt um mich herum ist gefährlich, feindlich und ungerecht, sehe ich in jeder Handlung nur ihr Gefahrenpotential.
Verkaufstrainer Mike Dierssen drückt es in einem Podcast der Jürgen-Höller-Akademie so aus:

„Der Mensch ist nur das, wozu ihn die Gedanken, die Emotionen machen. Ich kann jederzeit entscheiden, welchen meiner Emotionen ich gestatte, meinen Geist zu beherrschen”

Bewusstsein und Entwicklung

Der amerikanische Psychiater David R. Hawkins hat den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung mit Hilfe einer Skala von Bewusstseins- ebenen und deren begleitende Emotionen beschrieben:

Skala Ebene Emotion

20 Scham Erniedrigung
30 Schuldbewusstsein Schuldzuweisung
50 Apathie Hoffnungslosigkeit
75 Kummer Reue
100 Angst Ängstlichkeit
125 Begehrlichkeit Verlangen
150 Wut Hass
175 Stolz Verachtung
200 Mut Bejahung
250 Neutralität Vertrauen
310 Bereitwilligkeit Optimismus
350 Akzeptanz Vergebung
400 Verstand Verständnis
500 Liebe Verehrung
540 Freude Heiterkeit
600 Frieden Seligkeit
1000 Erleuchtung unbeschreibbar
Auf den niedrigen Bewusstseinsebenen dominieren seiner Auffassung nach die tierische Triebe unserer Urahnen. Durch aktive Bewusstseinsarbeit, sagt Hawkins, können wir uns aus diesen niedrigen Zuständen herausentwickeln, vorausgesetzt wir haben den Willen dazu und richten unsere Gedankenwelt positiv und lösungsorientiert aus.

Hinter jedem Gefühl stehen Bedürfnisse

Wie wir gesehen haben, werden die blitzschnellen, instinktiven Emotionen, die auf einen Reiz folgen, parallel zu Gefühlen verarbeitet. Dabei werden die Emotionen mit unseren Bedürfnissen abgeglichen. Stellt sich als nächstes die Frage, welche Bedürfnisse wir überhaupt haben…

Einer der Gründerväter humanistischer Psychologie, Abraham Maslow, hat unsere Bedürfnisse Mitte der 1940-iger Jahre in einem Modell vereinigt und nach Dringlichkeiten sortiert. Im Gegensatz zur Lehre von Sigmund Freud ging er davon aus, dass der Mensch nicht durch niedere Triebe gesteuert wäre, sondern durch ein angeborenes Wachstumspotential angetrieben sei. Destruktivität, Sadismus, Grausamkeit wären keine ureigenen menschlichen Bedürfnisse, sondern Reaktionen auf die Frustration unserer Bedürfnisse. (vgl. wikipedia)

Sind unsere grundlegenden Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf, Sicherheit, Zugehörigkeit und sozialem Austausch erfüllt, streben wir nach den darüber gelagerten Bedürfnissen. Verstehen wir Persönlichkeitsentwicklung als einen Prozess, wird deutlich, dass sich die Bedürfnisse im Laufe der Entwicklung wandeln. Steigen wir in der Bedürfnis-Hierarchie hinauf, verbessert sich unser Lebensgefühl. Wir sind ausgeglichen und zuversichtlich.

Ereignisse wie familiäre Trennung, Tod eines Angehörigen, Krankheit oder Jobverlust können unseren Bedürfnisstatus jedoch verändern. Menschen haben offensichtlich gleiche Bedürfnisse. Das macht die Sache einerseits einfach, denn ich kann meine Bedürfnisse anschauen und davon ausgehen, dass mein Gegenüber ganz ähnliche hat und dadurch Empathie für sein Verhalten entwickeln.

Andererseits unterscheiden wir uns darin, wie wichtig uns bestimmte Bedürfnisse sind und welche Strategien uns helfen, diese zu befriedigen. Für die Kommunikation erscheint es mir wichtig, dass wir imstande sind, sowohl unseren als auch den aktuellen Bedürfnisstatus unseres Gegenübers zu erkennen.
Dass wir Bedürfnisse haben, wissen und spüren wir. Unseren körperlichen Bedürfnisse Essen, Trinken, Schlafen machen sich täglich bemerkbar. Auch unsere psychischen Bedürfnisse melden sich in bestimmten Situationen. Wir merken es zum Beispiel daran, dass wir traurig, frustriert oder wütend sind.
Im Gegensatz zu körperlichen oder materiellen Bedürfnissen haben wir im Umgang mit psychischen Bedürfnissen relativ wenig Erfahrungen.
Da sie einen großen Einfluss auf unsere Gefühlswelt, unser Verhalten und damit auf unsere Kommunikation haben, wollen wir auch hier etwas genauer hinschauen.

Psychische Grundbedürfnisse

Bereits in frühester Kindheit beginnen wir damit, Bedürfnisse zu entwickeln. Je nachdem, ob und wie diese Bedürfnisse in den ersten Lebensjahren erfüllt waren, gestalten wir auch unser Erwachsenenleben. Ein unerfülltes Kindheitsbedürfnis schleppen wir unter Umständen ein Leben lang mit uns herum (vgl. Kapitel 3). Oft besteht das eigentliche Problem jedoch darin, dass wir uns dieser Bedürfnisse gar nicht bewusst sind. Wir haben ein unbestimmtes Gefühl, wissen aber nicht, woher es kommt. Der Psychologe Klaus Grawe sagt, dass psychische Bedürfnisse „…bei allen Menschen vorhanden sind und deren Verletzung zu Schädigungen der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens führen“.
(vgl. Grawe) Er nennt vier Grundbedürfnisse:

1. Das Bedürfnis nach Bindung

Besonders in den ersten Jahren, in denen wir auf die Hilfe und den Schutz unserer Bezugspersonen angewiesen sind, entwickeln wir unser Grundvertrauen: wir fühlen uns geliebt, versorgt, freundschaftlich verbunden, verstanden und respektiert. Wir sind in Kontakt mit unseren Bezugspersonen, fühlen uns sicher. Wir sind unserer Familie und später unseren Partnern, Freunden, Bekannten oder dem Team, mit dem wir arbeiten, zugehörig und verbunden.

Du kannst dich fragen: „Mit wem bin ich in Beziehung, wie ist
unser Kontakt?”

2. Das Bedürfnis nach Kontrolle und Selbstbestimmung

Haben wir in jungen Jahren das Grundvertrauen in unsere
Bezugspersonen entwickelt, entstehen schon bald weitere Wünsche. Wir wollen unsere Umwelt auf eigene Faust erkunden, eigene Erfahrungen machen, eigene Entscheidungen treffen: ein klares Ich-Gefühl haben, uns behaupten, uns gegen Übergriffe auf das eigene Territorium wehren, mit instinktiven Reaktionen spontan auf äußere Situationen antworten.

Du kannst dich fragen: „Wer bin ich - wer bist du? Welcher Raum steht mir zu, welchen Raum beanspruchst du?”

3. Das Bedürfnis nach Selbstwert

Wenn wir erfahren, wie gut es sich anfühlt, Lob zu erhalten, Erfolge zu erringen und selbstgesteckte Ziele zu erreichen, hat sich unser Bedürfnis nach Selbstwert gemeldet. Bereits in der Kindheit streben wir danach, uns selbst als gut, kompetent und von anderen wertgeschätzt zu fühlen. Wenn uns unser Umfeld signalisiert, dass es unsere Erfolge anerkennt und wenn es uns gleichzeitig vermittelt, dass auch Mißerfolge zum Leben gehören, die nichts an unserem Wert als Person ändern, ist dieses Bedürfnis erfüllt.

Du kannst dich fragen: Was bin ich ohne meine Erfolge wert?

4. Das Bedürfnis nach Lustgewinn

Wie alle anderen Menschen, streben wir von Geburt an nach lustvollen Erfahrungen und danach, unangenehme Erlebnisse zu vermeiden.
Wir wollen Dinge tun, die Spaß machen, wollen es uns gut gehen lassen, uns etwas gönnen. Auf der anderen Seite wollen wir „unnötige” Anstrengungen möglichst vermeiden. Hierbei zeigt sich, dass wir unsere Unlust überwinden müssen, damit wir bestimmte Ziele erreichen, die uns dann wiederum „Lust” verschaffen.

Du kannst dich fragen: Macht mir das, was ich gerade tue, auch Spaß?

Bedürfnisse kann ich auf verschiedenen Wegen befriedigen

Die Bedürfnisse nach Bindung und das Selbstbestimmung stehen im Widerspruch zu einander: Einerseits wollen wir uns einer Gemeinschaft zugehörig fühlen, an deren Regeln wir uns andererseits anpassen müssen. Wir wollen unser Leben selbstbestimmt führen und die Kontrolle über die für uns wesentlichen Dinge behalten. Um uns beide Bedürfnisse zu befriedigen, müssen wir
Zugeständnisse an die Gemeinschaft machen und Kompromisse aushandeln. Dabei stellt sich oft heraus, dass es mehrere Wege gibt, auf denen wir unsere Bedürfnisse stillen können. Müssen wir von unseren ursprünglichen Vorstellungen abweichen, lernen wir, uns flexibel auf neue Situationen einzustellen. Damit sind wir aufgefordert, unsere Gewohnheiten zu überprüfen und andere Möglichkeiten zu entdecken, mit denen wir Bedürfnisse befriedigen können.

Wir haben gesehen, dass Gefühle stets den Umweg über unsere Bedürfnisse nehmen. Je ehrlicher und treffender ich mein Gefühl beschreiben kann, desto mehr helfe ich meinen Gesprächspartnern, auf meine dahinter stehenden Bedürfnisse einzugehen und einen für alle Beteiligten zufriedenstellenden Kompromiss zu finden.

Fazit

  • Äußere Reize sprechen zuerst unsere Instinkte an. Wir reagieren mit Emotionen. In der zweiten Phase der Reizverarbeitung ordnen wir die aktuellen Reize vorhandenen Mustern aus unserem Erfahrungsschatz zu. Dabei überprüfen wir, ob das Ereignis unseren Bedürfnissen dienen oder schaden könnte. Im Ergebnis stellt sich ein Gefühl ein.
  • Oft fällt es uns schwer, unsere Gefühle zu bestimmen und benennen. Die Forschung hat das Phänomen untersucht und eine Systematik der Emotionen und Gefühle entwickelt. Mit Hilfe der Begriffe Freude, Vertrauen, Angst, Überraschung, Trauer, Abneigung, Groll und Erwartung können wir uns selbst darüber klarer werden, wie wir uns gerade wirklich fühlen.
  • Der Zusammenhang von Gefühl und Bedürfnis ist für die Kommunikation von besonderer Bedeutung, denn über den gemeinsamen Austausch gelingt es uns, in Beziehung zueinander zu treten.
  • Neben den körperlichen und materiellen Grundbedürfnissen beeinflussen vor allem die psychischen Grundbedürfnisse nach Bindung, Selbstbestimmung, Anerkennung und Lust unser Verhalten.
  • Hinter jedem unserer Ziele, Wünsche, Gefühle steckt mindestens eins unserer Bedürfnisse. Wenn wir uns über unsere Bedürfnisse im Klaren sind, können wir auch danach fragen, auf welchen alternativen Wegen wir uns oder anderen diese Bedürfnisse erfüllen können. In den meisten Fällen gibt es mehrere Möglichkeiten, Bedürfnisse zu erfüllen, ohne dass daraus ein ernsthaftes Zerwürfnis mit unserem Umfeld resultieren muss.

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