Wie Kommunikation gelingt:

Verbindung und Verständigung

Beim Reden ist es wie wie beim Tanzen - beim jeglichem Informationsaustausch braucht es Zuwendung und den Willen zur Verständigung. Dasselbe gilt fürs Tanzen: Wer führt, bestimmt die Richtung. Wer geführt wird, geht darauf ein. Anders als beim Tanzen, wechseln wir im Gespräch die Rollen.

von: Henri Marzillier
mit Fotos von: Alvin Mahmudov

Communicare heißt Teilnehmen

In allen Lebensbereichen tauschen wir Informationen mit unserer Umwelt aus. Ob dies zum gewünschten Ergebnis führt oder nicht, hängt von unserer Fähigkeit ab, auf andere einzugehen. Das lateinische „communicare” heißt wörtlich, die Anderen teilnehmen lassen, eine Sache gemeinsam machen. Erfolgreiche Kommunikation muss deshalb zirkulär verlaufen: In regelmäßigem Rollentausch zwischen Empfänger und Sender „erzeugen” wir die gemeinsame Information. Hierbei tasten sich beide Partner wie beim Tanzen von einer Gemeinsamkeit zur nächsten. Sobald einer der Partner nur sich selbst wahrnimmt und kein Gespür für sein Gegenüber zeigt, ist der gemeinsame Austausch, der gemeinsame Tanz unterbrochen.

Kommunikation auf vier Kanälen

Informationen wandern immer auf vier Kanälen vom Sprecher zum Zuhörer. Unsere Botschaft besteht nicht nur aus dem, was wir sagen. Wir teilen dabei auch etwas über unsere eigenen Befindlichkeiten mit. Jede unserer Mitteilungen enthält - ausgesprochen oder nicht:

  • einen Sachanteil,
  • einen Selbstoffenbarungsanteil,
  • einen Beziehungsanteil und
  • einen Appellanteil

Mit diesem „4er-Pack” machen wir nicht nur deutlich, worum es uns geht, sondern auch wie es uns selbst gerade geht, wie wir den Anderen sehen und was wir von ihm erwarten. Erst diese vier Anteile zusammen bilden die Botschaft, die wir aussenden.
Damit wir uns austauschen können, müssen wir unsere Gedanken und Absichten in wahrnehmbare Zeichen (Worte, Sätze, Mimik, Gesten etc.) verwandeln. Die Kodierung unserer Nachricht erfolgt logischer Weise auf unsere individuelle Art und Weise.

„Sobald ich etwas von mir gebe, gebe ich etwas von mir. Jede Nachricht enthält (auch) eine Selbstoffenbarung - dies ist ein existentielles Phänomen, durch das jedes Wort zum Bekenntnis und jede Äußerung zur Kostprobe der Persönlichkeit wird.” (Friedemann Schulz von Thun)

Wir senden unsere Nachricht, liefern jedoch keine „Bedienungsanleitung” dazu. Es bleibt Sache des Zuhörers, unseren Worten eine Bedeutung zu geben. Er empfängt unsere Worte natürlich auch auf vier Kanälen. Tonlage, Körperhaltung, Mimik und Gesten liefern ihm zusätzliche Anhaltspunkte und laden zu Interpretationen („Gedankenlesen”) ein. Das Ergebnis ist abhängig von Erfahrungen und Glaubenssätzen unseres Gesprächspartners und seinen bisherigen Erfahrungen mit uns. Er interpretiert unsere Botschaft seinerseits auf individuelle Weise. So entstehen schnell Missverständnisse.

Warum Kommunikation nicht immer funktioniert

Der eine hat das gesagt, der andere hat jenes gehört. Kann sein, dass manche Signale bei unserem Gesprächspartner nicht ankommen, oder dass er aus unseren Worten einen Vorwurf heraushört, den wir gar nicht beabsichtigt hatten.

Wenn unsere Botschaft anders angekommt, als wir sie gesendet haben, kann das verschiedene Gründe haben. Neben Verständigungsschwierigkeiten aufgrund unterschiedlicher kultureller oder sozialer Prägung sind vor allem drei Faktoren dafür verantwortlich, dass Kommunikation nicht gelingt:

1.Glaubenssätze:
Sender und Empfänger haben unterschiedliche Selbstbilder

Ein pessimistischer Empfänger betrachtet alle Nachrichten eines optimistischen Gesprächspartners durch seine negativ getönte Brille. Er hält nach dem vermeintlichen Haken an der Sache Ausschau und hört die Nachricht nicht eins zu eins. Er gibt ihr eine Bedeutung, die in seine Glaubenswelt passt.

2.Gedankenlesen:
„Ich weiß, was du meinst, wer du bist und was du denkst…”

Je besser wir jemanden zu kennen glauben, desto leichter fällt es uns offenbar, dessen Gedanken zu erraten. Die Situationen und das Verhalten unseres Gegenübers scheinen einem ähnlichen Ereignis aus der Vergangenheit zu gleichen. Auch Fremde „erkennen” wir oft an ihrer äußeren Erscheinung und glauben zu wissen, wie derjenige denkt und handelt. Wir schnappen ein paar Sätze auf und können sogleich einschätzen, was mit dem Anderen los ist. Unser Vorurteil „hilft” uns bei der Interpretation von Nachrichten: Ein Punker ist auf Krawall aus, ein Wutbürger sucht die Schuld am System, eine ältere Dame isst gern Kuchen und hat keine Ahnung von digitaler Kommunikation…

3. Wechsel der Bezugsebene:
Die Nachricht hat für den Empfänger weitere Nachrichten im Schlepptau

Wir haben ja in Kapitel 2 über Gefühle gesprochen und waren froh, dass wir ein paar Worte gefunden hatten, mit denen wir unsere Gefühle beschreiben können. Wenn wir zum Beispiel sagen:
„Ich war traurig, dass wir uns gestern nicht gesehen haben”, sagen wir eigentlich nichts Schlechtes über den Anderen, sondern sprechen nur von unserem Gefühl. Die Nachricht kommt beim Gesprächspartner auch klar an. „Du warst traurig, dass wir uns nicht gesehen haben.” Das sind Sach- und Selbstoffenbarungsebene unser Nachricht.

Auf der Beziehungsebene hört unser Gesprächspartner jedoch, dass wir ihm die Verantwortung für das verpasste Treffen geben. Er wertet das als Vorwurf: „Du bist schuld daran, dass ich jetzt traurig bin.” Und auf der Appellebene hört er vielleicht noch: „Mach‘ das bloß nicht noch einmal…” Wie mag wohl seine Antwort nach dem Dekodieren unserer Nachricht ausfallen? Er geht in die Verteidigung und fängt an, Gründe aufzuzählen, warum bei ihm die Zeit gestern nicht gereicht hat. Das Problem liegt im Ebenenwechsel, den unser Gesprächspartner hier vollzieht. Er hört die Nachricht nicht auf der Selbstoffenbarungsebene, sondern auf der Beziehungsebene.
Bliebe er auf der Ebene der Selbstoffenbarung, könnte er verständnisvoll antworten, dass er sich vorstellen könne, wie es sich anfühlt, sich auf ein Treffen innerlich vorzubereiten, dass dann nicht stattfindet.
Er würde auch den Appell verstehen, der ja nichts anderes sagt als:
„Ich spreche von meinem Gefühl und will nichts weiter, als dass du es registrierst: Ich möchte, dass du weißt, wieviel mir an unseren Treffen liegt.”

Eigene Glaubenssätze, das Lesen von Gedanken oder der Wechsel in einen andere Bezugsebene machen Kommunikation kompliziert. Als Empfänger gestalten wir den Inhalt von Nachrichten. Dabei laufen drei verschiedene Vorgänge in uns ab (vgl. Schulz von Thun: „Miteinander reden”, Reinbek 2003):

  1. Wir nehmen die Nachricht wahr. Wir hören und sehen etwas.
  2. Wir interpretieren das Gehörte und Gesehene. Wir legen unsere eigene Bedeutung in die empfangene Nachricht
  3. Wir fühlen uns. Wir fühlen, welche Gefühle unsere eigene Interpretation der Nachricht in uns freisetzt.

Was wir sehen, hören, interpretieren und fühlen ist, aufs Ganze betrachtet, weder richtig noch falsch. Es ist das, was wir aus der Nachricht gemacht haben. Das, was wir am Ende fühlen, ist also zum größten Teil in unserem Denken entstanden. Das heißt, wenn ich durch die Nachricht plötzlich in Wut gerate oder traurig werde, kann ich mir zuerst sagen, es ist meine Interpretation, bevor ich lospoltere.

Unklare Nachrichten interpretiere ich

Die Schwachstelle beim Dekodieren von Nachrichten ist, dass wir als Empfänger unsere Fantasie zurate ziehen, wenn wir keine eindeutigen Hinweise auf die Bedeutung der Nachricht bekommen. Beim Interpretieren füllen wir die Leerstellen einfach mit eigenen Gedanken.
Für manche unserer Vermutungen gibt es gar keine wahrnehmbaren Anzeichen. Aus unserem Bedürfnis nach Sicherheit und Orientierung heraus sorgen wir unbewusst trotzdem dafür, dass wir Klarheit über die Beweggründe des Anderen bekommen. Anstatt sofort nachzufragen, haben wir uns aus dem, was der Andere von sich gibt, unseren eigenen Reim gemacht. So besteht jedoch die Gefahr, dass wir in unseren Fantasien gefangen bleiben, weil wir sie nicht zur Sprache bringen.

Behalten wir unsere Vermutungen für uns, unterbrechen wir den Austausch mit unserem Gesprächspartner. Das Unerfreuliche dabei ist, dass wir selbst unseren vielleicht unwahren Fantasien ausgeliefert bleiben. Wir legen ein entsprechendes Verhalten an den Tag und erhalten eine entsprechende Reaktion darauf. Auf diese Weise schaffen wir unsere eigene Realität, in der sich unsere Annahmen wie von selbst erfüllen. Die Kunst besteht in diesen Momenten darin, inne zu halten und sich zu fragen, ob wahr ist, was ich gerade denke, wie ich gerade über den Anderen urteile (vgl. Byron Katie, Stephen Mitchell: „Lieben was ist”, München 2002).

Durch Nachfragen können wir
fast jedes Missverständnis auflösen

Tauschen wir uns dagegen über unsere inneren Regungen und Gedanken aus, lernen einander immer besser kennen und (einzu-) schätzen. Indem wir darüber sprechen, wie was von wem gemeint war, betreiben wir Metakommunikation. Voraussetzung hierfür ist allerdings das gegenseitige Eingeständnis, dass unsere Interpretationen zutreffend oder nicht zutreffend sein können.

Wir gehen also nicht von Gewissheiten aus, sondern bleiben
im Frage- und Abstimmungsmodus. Damit eröffnen wir uns
die Chance, uns „richtig” zu verstehen. Beide Seiten sprechen
offen aus, welche Gedanken sie bewegen. Dazu gehört auch, dass wir Vorwürfe, die wir heraushören, offen ansprechen.

Bei vier Kanälen, auf denen wir senden und empfangen ist es naheliegend, dass da schnell etwas verrutschen kann. Es bedarf Energie und Interesse, diesen Missverständnissen auf den Grund zu gehen.
Ein waches Bewusstsein für alle vier Kanäle ist bei der Verständigung äußerst hilfreich, finde ich. Es schützt alle Beteiligten davor, alle möglichen Äußerungen auf sich selbst zu beziehen. Wenn wir Interesse an der Verbesserung unserer Beziehungen haben, lohnt sich der erhöhte Energieaufwand, der hierzu anfangs erforderlich ist.

Fazit

  • In der zwischenmenschlichen Kommunikation tauschen wir stets Informationen über uns selbst aus. Jede unserer Nachrichten enthält Informationen auf vier unterschiedlichen Ebenen. Sprechen wir über eine Sache, teilen wir durch die Art und Weise, wie wir sprechen, das Gesicht verziehen oder gestikulieren auch mit, wie es uns selbst gerade geht, wie wir unsere Beziehung zum Anderen einschätzen und was wir konkret von ihm wollen.
  • Nachrichten kommen bei uns als Empfänger ebenfalls auf den vier Ebenen an. Beim Dekodieren legen wir unsere eigenen Bedeutungen in die Worte des Absenders. Fehlende Inhalte ergänzen wir in unserer Fantasie. Das, was wir hören, fühlen und antworten, ist Produkt unseres eigenen Vorstellungsvermögens.
  • Behalten wir unsere Vermutungen über die empfangene Nachricht für uns, besteht die Gefahr, dass Fehleinschätzungen unerkannt bleiben. Wir schaffen uns durch unser Verhalten eine eigene Realität, die mit der unseres Gesprächspartners nicht übereinstimmt. Dadurch, dass wir die Unklarheiten im Gespräch nicht auflösen, erfüllen sich unsere Annahmen wie von selbst.
  • Missverständnisse können wir durch Metakommunikation aufklären, indem wir über unsere Gedanken, Einschätzungen und Schlussfolgerungen offen sprechen und so mit unserem Gesprächspartner im gegenseitigen Austausch bleiben.

Das e-Book „Immer die richtigen Worte finden” - bewusst Kommunikationverändert deine Beziehungen

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus meinem E-Book „Immer die richtigen Worte finden”. Nähere Informationen finden sich unter www.marzillier.com/ebooks-lesen.

Möchten auch Sie Ihrem Leben neue Impulse geben? Unter Services finden Sie hierzu verschiedene Möglichkeiten - Konsultationen, Sparrings oder Mentorings - je nach Thema und Bedarf! Nehmen Sie gern Kontakt auf. Lassen Sie uns herausfinden, wie ich Sie bei Ihren Vorhaben unterstützen kann!